ID-Theorie
         
         Eine kritische Auseinandersetzung mit ID
         mit Philip Kitcher in seinem Werk "Mit Darwin leben"
         
         Teil 2
         
         Wie bereits im 1. Teil dieser Besprechung des Werkes von Kitcher herausgestellt wurde,    
         kann man entgegen den Intentionen des Verfassers ID nicht in die Kategorie der    
         kreationistischen Theorien einordnen. Kitcher baut jedoch seine gesamte Argumentation    
         auf dieser Prämisse auf, wodurch die Relevanz für eine wirkliche Debatte um ID stark    
         herabgesetzt wird. Dennoch soll hier seine Argumentation verfolgt werden und auf    
         spezifische Irrtümer, die Teils auf Unwissen und Teils auf ungeprüft übernommene Thesen    
         zurückzuführen sind, hingewiesen werden.
             
         Aus diesem Grund wird der Begriff "Kreationist", wann immer er von Kitcher verwendet    
         wird, auch so verstanden, wie er es beabsichtigt - als Vertreter der ID-Theorie.
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         Das zweite Kapitel seines Buches hat die Überschrift "Abschied von der Genesis". Der    
         Begriff Genesis steht für das erste Buch des Alten Testaments der Bibel. Er widmet sich    
         zunächst dem Thema der Sintflut, das dort in den Kapiteln 7 und 8 behandelt wird.    
         Hervorgehoben wird zunächst der Geistliche Thomas Burnet, der sich im 17. Jahrhundert    
         im Rahmen der damaligen Wissenschaft mit der Sintflut der Bibel befasst hatte und das    
         Buch "The Sacret Theory of the Earth" herausbrachte. Kitcher würdigt die Bemühungen    
         Burnet's, der "repräsentativ für die wissenschaftliche Einstellung der frühen Neuzeit"    
         gelte. Burnet kann man in einer Reihe mit Kopernikus, Kepler, Boyle und Newton sehen,    
         die alle "der festen Überzeugung " waren, "dass ein Teil ihrer Arbeit darin bestand, die    
         Weisheit Gottes aufzuzeigen und 'Gottes Gedanken nachzuvollziehen'".
             
         Auf S. 44 schreibt Kitcher: "Obwohl schon seit der Antike manche Kommentatoren den    
         Ansatz einer nichtwörtlichen Bibel-Interpretation vertreten hatten, hielten sich viele    
         Denker des siebzehnten Jahrhunderts, darunter Burnet und Newton, bei Umgang mit der    
         Heiligen Schrift als Quelle spiritueller Wahrheit an die buchstäbliche Deutung." Und    
         beschreibt Burnet's Motivation wie folgt: "Die Wahrheit kann nicht im Widerspruch mit    
         sich selbst stehen. Deshalb müssen die beiden Bücher - die Heilige Schrift und das Buch    
         der Natur - miteinander vereinbar sein, und das selbst bei einer wörtlichen Auslegung der    
         Bibel."
             
         Auf S. 45 geht Kitcher auf die Fragen der Chronologie ein. Zur Zeit Burnet's wurde das    
         Alter der Menschheit noch mit den Genealogien des Alten Testaments berechnet. Manche    
         Gelehrte des damaligen Zeit berechneten daraus auch das Alter der Erde, denn eine    
         wörtliche Auslegung der Genesis hätte dazu berechtigt. Auf dieser Grundlage berechnen    
         auch einige gegenwärtige Bewegungen das Alter der Erde und kommen auf diese Art und    
         Weise auf ein Alter der Menschheit und somit der Erde von etwa 6000 Jahren.
             
         Kitcher legt nun die Geschichte der Wissenschaft dar, in der allmählich die Vorarbeiten für    
         das heute allgemein anerkannte stratigraphische Prinzip erarbeitet wurde. Damit wurden    
         die Arbeiten Burnet's im Laufe der Zeit wertlos. Kitchers Argumentation richtet sich in    
         diesem Zusammenhang ausschließlich gegen die Ansichten des sogenannten Kurzzeit-
         Kreationismus. Dennoch kommt Kitcher auf S.50 wieder völlig aus dem Gleis, wenn er    
         den falschen Schluss zieht: "Die Natur scheint ein offenes Buch zu sein, aber dieses Buch    
         ist offensichtlich unvereinbar mit der Genesis." Diese Schlussfolgerung wäre nur    
         berechtigt, wenn es keine andere Leseart des Genesis gäbe als durch die Brille der    
         Kurzzeit-Kreationisten!
             
         
             
         Kitcher hält sich genüsslich mit vielen Details der kreationistischen Bibel-Auslegung einer    
         "weltweiten" Sintflut auf, da sich damit sehr viele Widersprüche zu bekannten Fakten    
         aufstellen lassen. Die wirklichen Fakten der Genesis scheint er jedoch nicht zu kennen.
             
         
             
         Zunächst treibt Kitcher die Schilderung über die Arbeitsbelastung in einer überfüllten    
         Arche auf die Spitze (S.53,54) aber danach klärt er den Leser über die oft von    
         Kreationisten vertretene Ansicht auf, wonach "Noah nicht ein Paar von jeder Spezies    
         mitzunehmen [brauchte], sondern konnte sich auf ein Paar der 'Hundeartigen', der    
         'Katzenartigen', der 'Hirschartigen', der 'Schlangenartigen' usw. beschränken."     
             
         Da Kreationisten die Neubevölkerung des Planeten Erde nach der Sintflut behaupten,    
         ergeben sich natürlich weitere Probleme, die Kitcher auf S.54 aufgreift. "Der Genesis-
         Kreationismus behauptet, dass seit Noahs Zeiten etwa fünftausend Jahre vergangen    
         seien. Der Diversifizierungsprozess muss daher sehr schnell abgelaufen sein. Nehmen wir    
         an, diese Diversifizierung erfolgt durch eine Spaltung der jeweiligen Großgruppe und der    
         daraus hervorgehenden Teilgruppen, so dass aus jeder Gruppe zwei neue entstehen. Und    
         nehmen wir weiter an, dass alle so entstandenen Gruppen Bestand haben. ... Die    
         Spaltungsrate läge dann im Durchschnitt bei einer Spaltung alle 625 Jahre."
             
         Dieser Argumentation ist natürlich zuzustimmen. Es muss jedoch an dieser Stelle erinnert    
         werden, dass die ID-Theorie in keinem Punkt mit der hier vorgestellten Ansicht von    
         Kreationisten übereinstimmt. Kitchers Argumentation führt ins Leere, da er angeblich    
         gegen die ID-Theorie argumentiert. Auf S. 55 wendet er sich dieser Problematik zu und    
         schreibt: "Der Genesis-Kreationismus bildete stets den Hintergrund der kreationistischen    
         Bewegung ... Nicht sichtbar ist er dagegen in der öffentlichen Darstellung des Intelligent-
         Design, ...". Der Leser erwartet an dieser Stelle eine Erklärung, warum der Genesis-
         Kreationismus bei Intelligent-Design nicht sichtbar ist, doch statt dessen springt der Autor    
         wieder zu den Innereien des Kreationismus.
             
         Wenn Kitcher an dieser Stelle seines Werkes die Wahrheit über ID schreiben würde, wäre    
         ja das Buch schon beendet, denn so gut wie alle Argumentationen, die er seitenweise    
         ausbaut, haben mit der Intelligent-Design-Theorie nichts zu tun. Das ist der große Fehler    
         an diesem Werk. Auf S. 58,59 widmet Kitcher sich dem Thema der Erd-Chronologie, die er    
         den Behauptungen des Genesis-Kreationismus gegenüberstellt, wonach der Planet Erde    
         nicht älter als 10000 Jahre sei. Er verweist auf wissenschaftliche, radiometrische    
         Methoden der Altersbestimmung, die dem Kreationismus natürlich absolut widersprechen.
             
         An dieser Stelle soll ein Zitat von Michael Behe einmal demonstrieren, wie ein führender    
         Vertreter des Intelligent Design über das Erdzeitalter denkt. Dieses Zitat zeigt deutlich,    
         dass Kitcher mit seiner Argumentation gegen ID einfach nur unsachlich und falsch    
         informiert. Michael Behe schreibt:
         "Ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln, dass das Universum Milliarden Jahre alt ist,    
         wie dies Physiker angeben. Außerdem ist für mich der Gedanke einer gemeinsamen    
         Abstammung (die Auffassung, dass alle Organismen einen gemeinsamen Vorfahren    
         haben) ziemlich überzeugend. Daher habe ich keinen speziellen Grund, ihn in Frage zu    
         stellen. Ich respektiere die Arbeit meiner Kollegen sehr, die sich mit Entwicklung und    
         Verhaltensweisen von Organismen im Rahmen einer Evolution beschäftigen." (Darwins    
         Black Box, S. 23)
             
         Auf S.61 kommt Kitcher endlich auf den Gedanken, den er schon eher gehabt haben    
         sollte: "Wenn meine Darstellungen auf Thesen herumreitet, die von Vertretern des    
         Intelligent Design bereitwillig zugestanden  werden, dann müssen sie wie ich der Ansicht    
         sein, dass der Genesis-Kreationismus tot ist und tot bleiben wird." Anzufügen ist jedoch,     
         dass sich diese Todes-Erklärung nur auf den von Kitcher definierten Genesis-
         Kreationismus bezieht und damit auf den im Allgemeinen als Kurzzeit-Kreationismus    
         bekannten Kreationismus. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er die wörtliche    
         Auslegung der "Tage" auf 24-Stunden-Tage festlegt und noch einige andere    
         offensichtliche, traditionell bedingte Fehler bei der wörtlichen Auslegung macht. Es gibt    
         seit langem eine wissenschaftlich aufgearbeitete Deutungs-Variante der Genesis, die sich    
         dadurch auszeichnet, dass sie die exakte Bedeutung der Wörter im Genesis-Text der    
         Ursprache beachtet und sich an wissenschaftlichen Fakten orientiert, wenn es alternative    
         Lesearten gibt. Ein solches konkordantes Deutungsmodell wurde von Peter Rüst und    
         Armin Held entwickelt.