Die Genesis des Alten Testaments
Aussagen zur Sintflut
Es gibt Bibelleser, die eine wörtliche Auslegung der Bibeltexte inbezug auf eine globale
Sintflut in den Tagen Noahs zu sprechen akzeptieren, aber sie verweisen auf die Palette
an unterschiedlichen Bedeutungen des Wortes "Erde". Im Folgenden wird deren
Argumentation vorgestellt:
Der Bericht über die Sintflut entstammt dem 1. Buch Moses, das auch mit Genesis
bezeichnet wird. Dort im Kapitel 6 ab Vers 13 steht gemäß der 'Neue evangelistische
Übersetzung' (1*):
"Da sagte Gott zu Noah: "Ich habe beschlossen, Mensch und Tier zu vernichten, denn
durch sie ist die Erde von Gewalttat erfüllt. Baue dir eine Arche, einen Kasten aus
Tannenholz! Teile ihn in mehrere Räume ein und dichte ihn innen und außen mit Asphalt
ab! Er soll 131 Meter lang sein, 22 Meter breit und 13 Meter hoch. Sorge auch für eine
Lichtöffnung! Sie darf bis zu einem halben Meter unter den Dachrand reichen. Setze eine
Tür in die Mitte ihrer Längsseite. Drei Stockwerke soll die Arche insgesamt haben. Denn
ich, ich werde die Flut kommen lassen, eine Wasserflut über die Erde. Alles Lebendige
soll darin umkommen, alle Menschen und Tiere."
Die Vertreter der lokalen Flut verweisen auf die hervorgehobenen Textteile und deren
assoziative Wirkung. Im darauf folgenden Kapitel wird berichtet, dass Noah alles so
erledigt hatte, wie es gefordert worden war und danach wird ab Vers 11 der Beginn der
Flut wie folgt berichtet:
"Im 600. Lebensjahr Noahs, am 17. Tag des zweiten Monats, wurden die Schleusen des
Himmels geöffnet und alle Quellen der großen Tiefe brachen auf. Es regnete in Strömen
40 Tage lang, Tag und Nacht. An dem oben genannten Tag also war Noah mit seinen
Söhnen Sem, Ham und Jafet, mit seiner Frau und den Frauen seiner Söhne in die Arche
gegangen und mit aller Art von wilden Tieren und Herdenvieh, Kriechtieren und vielfältig
gefiederten Vögeln. Alle Lebewesen, alle, die Atem in sich hatten, waren paarweise zu
Noah in die Arche gekommen. 40 Tage lang ergoss sich die Flut auf die Erde. Das
Wasser stieg und hob die Arche vom Boden ab. Es stieg immer höher und höher, bis alle
hohen Berge zugedeckt waren unter dem ganzen Himmel. Mehr als sieben Meter hoch
deckte das Wasser die Berge zu. Da ging alles zugrunde, was auf der Erde lebte und
sich regte: Vögel, Herdenvieh und wilde Tiere und alle Menschen. So löschte Gott alles
aus, was auf dem Erdboden bestand: vom Menschen bis zum Herdenvieh, von den
Vögeln bis zu den Kriechtieren. Alle fanden den Tod. Nur Noah und alle, die mit ihm in
der Arche waren, blieben übrig. 150 Tage lang überflutete das Wasser die Erde.
Ein Schlüsselsatz sei dabei der Vers 17 im Kapitel 6: "Ich werde die Flut kommen lassen,
eine Wasserflut über die Erde. Alles Lebendige soll darin umkommen, alle Menschen
und Tiere."
Es wird darauf hingewiesen, dass dieser Text in der gegenwärtigen Zeit bei jedem Leser
zwingend den Eindruck erweckt, diese beschriebene Flut sei global "über die Erde"
gekommen und die Worte "alles Lebendige" meine alle Lebewesen der Erde (mit
Ausnahme der Fische). Dieser Eindruck sei zwar berechtigt, gründe sich aber allein auf
unsere Vorstellung dessen, was das Wort "Erde" im oben angegebenen Kontext
assoziiert. In der Gegenwart wird der Begriff "Erde" in solchen Sätzen wie: "Überall auf
der Erde ..." immer als Planet Erde verstanden. Niemand käme heute auf den Gedanken,
dass mit dem Satz nur ein Gebiet der Erde gemeint sei. Wie war das aber in den ganz
alten Zeiten?
Es wird darauf hingewiesen, welche Bedeutung das im Original-Text des Buches Genesis
verwendete Wort hat, das mit "Erde" übersetzt wurde. Es handelt sich dabei um das
hebräische Wort "äretz". Im gesamten Alten Testament der Bibel, wovon Genesis nur
ein Teil ist, kommt das Wort "äretz" über 2500 mal vor und ist somit eines der
häufigsten Worte der Bibel. Das ließe bereits erahnen, dass dieses Wort wahrscheinlich
ein etwas breiteres Bedeutungs-Spektrum hat.
Bedeutungen sind gemäß dem hebräischen Wörterbuch von W. Gesenius:
(1) Erde im Gegensatz zu Himmel
(2) Die Erdoberfläche als Gegensatz zum Meer
(3) Ein Land (Gebiet)
(4) Stammes-Territorien (also kleinere Distrikte)
(5) Ein Stück Land oder Acker
(6) Erdboden oder Humus
(7) im späteren Sprachgebrauch: das Volk eines Landes
Die korrekte Übersetzung ist natürlich jeweils kontext-abhängig. Im Bibeltext treten
offenbar alle Bedeutungen auf. Doch Bibel-Übersetzer übersetzen das Substantiv
"äretz" in den meisten Fällen mit der dritten, vierten oder fünften Bedeutung - also im
Sinne von "Land" oder "Gebiet".
Es wird die Frage aufgeworfen: "Warum entscheiden sich viele Übersetzer, das Wort
"äretz" im Zusammenhang mit der Sintflut mit dem deutschen Substantiv "Erde" zu
übersetzen." Der Hauptgrund bestehe darin, dass kaum ein biblischer Bericht eine so
lange Tradition in christlichen Ländern habe, wie der Sintflut-Bericht. Seit vielen
Jahrhunderten (fast zwei Jahrtausenden) gehen christliche Bibel-Gelehrte und die
Übersetzer der alten Bibel-Texte davon aus, dass die Sintflut ein globales Ereignis
gewesen sei. Auch als die Wissenschaft immer klarer zu der Überzeugung kam, dass die
Erde eine Kugel ist, ein Planet, wie die Venus und andere, blieb diese tradierte
Vorstellung erhalten. Insbesondere bliebe diese Vorstellung deshalb erhalten, weil noch
vor wenigen Jahrhunderten auch namhafte Wissenschaftler eine Theorie zu einer
Sintflut-Geologie aufstellten. So habe sich dieser Übersetzungs-Irrtum bis in die
Gegenwart fortgesetzt. Die Kreationisten halten an der tradierten Übersetzung fest und
folgen den alten Traditionen, wonach die Sintflut eine globale Flut gewesen sei.
Die Verfechter der lokalen "großen Flut" korrigieren die Übersetzung im Vers 17
des 6. Kapitels wie folgt: "Ich werde die Flut kommen lassen, eine Wasserflut über das
Land. Alles Lebendige soll darin umkommen, alle Menschen und Tiere." Somit relativiere
sich natürlich auch der Begriff "alles Lebendige", denn er bezieht sich nur auf das
Gebiet, das überflutet werden sollte. In der selben Weise relativiere sich die
Formulierung "unter dem ganzen Himmel" in dem Satz: "Es stieg immer höher und
höher, bis alle hohen Berge zugedeckt waren unter dem ganzen Himmel." Mit "ganzem
Himmel" ist in diesem Sinn der ganze Himmel über dem Land (äretz) gemeint. Mit den
Augen eines damals lebenden Menschen, z.B. Noahs, habe das "Land" bis zum Horizont
gereicht und die Bezeichnung "der ganze Himmel" passe exakt zu dieser Vorstellung.
Kreationisten haben einige weitere Gründe dafür, von einer "globalen" Flut
auszugehen. Sie beziehen sich zum Beispiel auf den so genannten Regenbogen-Bund,
den Gott mit Noah schloss. Sie argumentieren, dass der Regenbogen offenbar etwas so
auffällig Neues gewesen sein muss, dass Gott ihn zum Bundeszeichen erwählte - und
verweisen darauf, dass die Bedingungen vor der Flut dann so anders gewesen sein
müssen, dass der Regenbogen erst nach dem totalen Abregnen der Wasser physikalisch
möglich wurde. Diese Argumentation stehe jedoch im Zusammenhang mit einem
falschen Verständnis des Textes in Genesis 2 Vers 5, wo es heißt: "... , denn Jahwe,
Gott, hatte es noch nicht regnen lassen. Es gab auch noch keinen Menschen, der das
Land bearbeiten konnte." Doch dieser Text besagt nur, dass es in einem genau
definierten Gebiet (äretz) nicht geregnet hat - siehe hier.
Der Regenbogen entsteht immer dann, wenn Wassertröpfchen in der Luft vom
Sonnenlicht in einem bestimmten Winkel angestrahlt werden. Der Bogen ist demnach
unter zwei Bedingungen nicht vorhanden - erstens, wenn die direkte Sonnen-
Einstrahlung fehlt und zweitens, wenn es nicht zur Tröpfchenbildung von Wasser kommt.
Die kreationistische Deutung geht vom ersten Argument aus und behauptet, die reißige
Wassermenge, die zur Sintflut abregnete, sei zuvor in irgend einer Form oberhalb der
Atmosphäre angeordnet gewesen und habe somit die direkte Sonnen-Einstrahlung
verhindert.
Für diese Behauptungen gäbe es jedoch keine Belege und vor allem gäbe es kein
einziges physikalisches Modell, das die Anordnung von kilometerdicken Wassermassen
oberhalb der Atmosphäre beschreiben könne. Demnach bleibe nur davon auszugehen,
dass der Regenbogen womöglich ein selten beobachtetes Phänomen in dem Lebens-
Gebiet Noahs war, weil es selten regnete. Wahrscheinlich habe Noah den Regenbogen
ein ganzes Jahr - der Dauer seines Aufenthaltes in der Arche - nicht mehr gesehen und
als er die Arche verließ, habe er ihn das erste mal nach so langer Zeit gesehen. Der
Bibeltext selbst erfordere jedoch keine besondere Behandlung der Häufigkeit des
Erscheinens des Regenbogens, da allein schon das Wunderbare des Regenbogens an
sich dafür genügt, es als Zeichen eines besonderen Bundes auszuwählen - insbesondere
als ein Zeichen, das auch von sehr vielen Menschen gleichzeitig gesehen werden könne.
Viele Bibelleser, die für eine globale Flut argumentieren, verweisen auch auf einen Text,
den Jesus geäußert hat. Der Text, den sie anführen, steht in dem Evangelium Matthäus,
Kapitel 24 Vers 38 und 39: "Damals, vor der großen Flut, aßen und tranken die
Menschen, sie heirateten und wurden verheiratet - bis zu dem Tag, an dem Noah in die
Arche ging. Sie ahnten nichts davon, bis die Flut hereinbrach und alle umbrachte. So
wird es auch bei der Ankunft des Menschensohnes sein." Das Argument beruht vor allem
darauf, dass Jesus in diesem Zusammenhang von einem im wörtlichem Sinn gemeinten
"globalen" Gericht Gottes spricht. Sie gehen dabei davon aus, dass nur eine "globale"
Flut als ein Vergleich mit einem "globalen" Gericht Gottes dienen könne. Die Vertreter
der lokalen "großen Flut" meinen dazu: Auch diese Annahme ist nicht belegbar. Jesus
benutzte zum Beispiel im Evangelium Lukas Kapitel 17 Verse 26 bis 30 ebenfalls die
Sintflut als warnendes Beispiel für diejenigen, die in den letzten Tagen leben werden -
diesmal aber zusammen mit dem Gericht an Sodom und Gomorrah, was ebenfalls nur
ein kleines Gebiet betroffen habe.
Es gibt noch ein weiteres Argument, das von Kreationisten benutzt wird, um eine
"globale" Sintflut zu verteidigen - es sind die Worte des Apostels Petrus aus seinem 2.
Brief Kapitel 3 Verse 5 und 6: "Wer das behauptet, will nicht wahrhaben, dass es die
Himmel schon längst gab und die Erde aus dem Wasser hervorgetreten und mit Wasser
umgeben war. Gott hatte sie durch sein Wort geschaffen. Dennoch wurde die Welt
damals bei der großen Flut auf Gottes Wort hin durch Wasser überschwemmt und
vernichtet." Der Zusammenhang mit den folgenden Vers 7 zeigt auch, dass es Petrus in
der Tat um einen Vergleich mit dem globalen Weltgericht in den letzten Tagen geht. Im
Vers 7 kann man lesen: "Durch dasselbe Wort Gottes werden nun auch die jetzigen
Himmel und die jetzige Erde für das Feuer aufgespart. Sie werden bewahrt bis zum Tag
des Gerichts, an dem die Gottlosen zugrunde gehen."
Die Verfechter der lokalen "großen Flut" argumentieren wie folgt: Dieser Text
erfordert eine Menge Verständnis, denn es handelt sich offensichtlich (mindestens
teilweise) um symbolische Begriffe. Wenn davon die Rede ist, dass "die jetzigen Himmel"
für das Feuer aufgespart sind, dann kann es sich entweder nicht um buchstäbliches
Feuer oder nicht um buchstäbliche Himmel handeln. In gleicher Weise kann der Begriff
"Erde" nicht im Sinne von Planet Erde gemeint sein. Ausgehend von der Annahme, dass
der Begriff "Welt" im Vers 6 sich auf die Gesamtheit von "Himmel und Erde" bezieht,
darf man auch annehmen, dass dieser Begriff keine reine physische Bedeutung hat.
Wenn "Welt" zum Beispiel als Symbol für die "Menschen-Welt" zu lesen wäre, dann folgt
daraus, dass die Worte Petrus wie folgt gelesen werden dürfen: "Dennoch wurde die
Menschen-Welt damals bei der großen Flut auf Gottes Wort hin durch Wasser
überschwemmt und vernichtet." Der Begriff Menschen-Welt muss im Bibeltext,
insbesondere in der Genesis, unter Berücksichtigung des Kontextes entschlüsselt
werden. Die Welt war immer so groß, wie weit man als Individuum reisen konnte. In der
Genesis bezog sich der Begriff "Erde" oft auf das weite Gebiet bis zum Horizont, das
man kannte. Im Neuen Testament gibt es einen Hinweis, dass der Begriff "Welt" von den
Schreibern so verstanden wurde, als beziehe er sich auf alle Länder, von denen man
damals Kenntnis hatte. In diesem Zusammenhang bekommen die Worte des Petrus die
Bedeutung, dass die "große Flut" die in den Tagen Noahs bekannte Menschenwelt durch
Wasser überschwemmte und vernichtete - nicht mehr und nicht weniger.
Selbst eine wörtliche Auslegung der Bibeltexte in Genesis berechtige demnach auch
Kreationisten nicht, zu behaupten, die Bibel spreche von einer globalen Sintflut.
Tatsächlich gäbe es auch für den Zeitraum der letzten 10.000 Jahre keine geologischen
Hinweise auf eine globale Überflutung des Planeten Erde. Besonders zu beachten seien
die Ergebnisse der Geologen, die mittels Tiefenbohrungen im Grönland-Eis und dem
Antarktis-Eis erreicht wurden. Diese Eis-Bohrkerne enthalten eine lückenlose Klima-
Aufzeichnung bis zurück in eine Vergangenheit von mehr als 200.000 Jahren.
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(1*) Alle hier angeführten Bibeltexte stammen aus dieser Übersetzung